Nicht alles auf ein Pferd setzen

31 Mai 2020

Ich habe definitiv schon viel gelernt aus dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Projekt „Robotertränen“, und eine weitere wichtige Erkenntnis möchte ich heute präsentieren.
Dies soll keine philosophische Abhandlung werden, ob man sich im Leben besser auf gewisse Dinge konzentriert, in denen man dann tendenziell ein wirklicher Experte wird, sich mit Leidenschaft auf ein bestimmtes Thema stürzt und schnellere und grössere Erfolge erreichen kann oder aber ob es für Lebensqualität und langfristigen Erfolg nicht besser ist, verschiedenen Interessen zu folgen, da sich diese gegenseitig befruchten können und man bei Misserfolg in einem Gebiet nicht gleich alles verliert. Konzentration oder Vielfalt.
Ein sehr spannendes Thema, da aus meiner Sicht für beide Seiten gewichtige Argumente sprechen.
Das Thema heute ist etwas profaner, aber auch interessant.
Ich habe mich bei „Robotertränen“ entschieden, das Buch bei KDP bzw. Amazon zu veröffentlichen und auch nur auf dieser Plattform anzubieten. Das bedeutet wohlgemerkt nicht, dass ich ein Fan von Amazon bin und insbesondere wie es mit seinen Mitarbeitern umgeht, die diversen Skandale sind ja weitherum bekannt. Auch ist Amazon natürlich ein grosser Player, der viele kleinere Anbieter und insbesondere den stationären Buchhandel erwürgt.
Gleichzeitig muss ich sagen: Mir als Autor und Selfpublisher bietet diese Plattform doch einiges. Es ist eine professionelle, gut gemachte Plattform, die es Autoren leichtmacht, ihre Bücher zu veröffentlichen, Taschenbücher und Ebooks zu verknüpfen, Bewertungen einzusammeln und auch, in dem Masse, wie man das machen möchte und kann, Marketing zu betreiben. Die Druckkosten sind günstig und alles passiert aus einer Hand. Ich muss mich nicht um Nachdrucke, Bestellungen, Adressen, Bezahlung, Versand etc. kümmern. Wenn ich das alles einrechne, so ist das Angebot von Amazon sehr günstig, was natürlich nur dank seiner Grösse möglich ist.
Und es ist schlicht die Plattform mit der grössten Reichweite. Und das ist nun mal ein gewichtiges Argument, gerade wenn man kein berühmter Name ist. Auch denke ich, dass die Plattform nicht in 2 Jahren wieder verschwindet oder wegfusioniert wird, und ich dann wieder alles neu aufbauen muss.
Ich verstehe aber auch, dass man als LeserIn und KäuferIn mit einem sozialen Gewissen sagt: „Ich kaufe nicht auf Amazon!“ Und ganz ehrlich: Im Musikbereich kaufe ich am Liebsten auf Bandcamp, denn ich weiss, da steckt kein Würgemulti dahinter und die Künstler erhalten einen viel höheren Anteil als bei Amazon oder Apple. Wenn es ein vergleichbares, weitverbreitetes Angebot im Buchbereich gäbe, würde ich sofort auf dieses umsteigen. Hier muss man aber einfach bedenken, dass Bandcamp auf online Musik fokussiert und dass der Aufwand für den Versand von CDs, Vinyl, Fanartikeln etc. beim Label oder der Band liegt. Und genau diesen Aufwand erspart mir Amazon. Der hier imaginierte alternative Anbieter müsste mir also auch die ganze Logistik abnehmen können.
Es ist Jahre her, dass ich selber in einer stationären Buchhandlung war. Und bei den Kleinbuchhandlungen die Klinke zu putzen, ob sie mein Buch ins Angebot nehmen, scheint mir eine sehr schlechte Rechnung in Bezug auf Aufwand und Ertrag. Und bei Ketten funktioniert das schon gar nicht. Aber bezüglich stationärem Einkauf gibt es gewiss auch Menschen, die ganz anders denken.
Aus diesen „Gegenargumenten“ lerne ich Folgendes: Für mein Romanprojekt, welches ich als Nächstes veröffentlichen möchte, werde ich wohl wieder auf Amazon setzen. Aber ich möchte auch weitere online-Anbieter berücksichtigen und es zumindest theoretisch ermöglichen, dass das Buch in einer stationären Buchhandlung verkauft werden kann (via den Grossisten BZ in der Schweiz beziehungsweise Eintrag im VLB für den ganzen deutschsprachigen Raum). Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dann nachträglich auch noch „Robotertränen“ auf diesem Weg anzubieten.
Bis es soweit ist, werde ich Amazon-Verweigerern anbieten, das Buch bei mir zu kaufen, auch wenn sich der Aufwand dafür nicht wirklich lohnt. Und ich riskiere, einige Exemplare weniger zu verkaufen, wenn eine Kaufinteressentin keinen Kontakt zu mir findet und dann das Buch schlicht nicht kauft.